Digitalisierung ist, was man draus macht – Am Beispiel des eRezepts
Flintbek — 10 / 10 / 2023
70cm hoch stand das Wasser im Juli 2021 bei der großen Flutkatastrophe in der Bahnhof Apotheke in Bad Münstereifel. Türen und Fensterfront wurden zerstört und monatelang musste notdürftig aus einem Container herausgearbeitet werden. Heute ist die Apotheke eine moderne Einrichtung, die Digitalisierung und das eRezept lebt. Apotheker Tobias Schiemann verrät nicht ohne Stolz, dass die Apotheken bereit sind für das eRezept.
"Alle unsere Handverkaufstische sind mit eHealth-Kartenterminals ausgestattet und die für das Auslesen des eRezepts per elektronischer Gesundheitskarte (eGK) und für die digitale Signatur notwendigen Zugangskarten, der sogenannte elektronische Heilberufsausweis (eHBA) und der Institutionsausweis, die SMC-B, sind vorhanden."
Die Patient:innen sind durchaus offen für das eRezept, viele kennen die Möglichkeiten aber oftmals nicht. „Wir erleben, dass die Ärzteschaft dahingehend nur in Teilen berät, größtenteils sind es unserer Erfahrung nach Zahnärzt:innen, die das eRezept bereits nutzen. In dieser Berufsgruppe scheint ein höherer Digitalisierungswille vorhanden zu sein – oder bessere Informationen durch die Zahnärztekammern gegeben zu werden.“ Dabei sind es oft vermeintliche Basisinformation, die für eine breitere Akzeptanz fehlen, wie zum Beispiel die Information über die komfortable Möglichkeit der Stapelsignatur.
Viele Apotheken sind daher noch verhalten darin, Patient:innen zum eRezept zu raten, da sie die nötige Akzeptanz in der Ärzteschaft dazu nicht vermuten. Zu viele Ärzte scheuen noch immer den Aufwand der Umstellung, die zum 1. Januar 2024 unweigerlich bevorsteht.
An vielen Stellen mag dies sicherlich auch eine Generationenfrage sein: Schiemann ist als junger Apotheker zwar kein Techniker und verfügt auch nicht über ganz tiefes technisches Verständnis, ist aber der Digitalisierung und den daraus resultierenden vereinfachten Prozessen gegenüber sehr offen eingestellt. „Ich sehe vor allem die Vorteile des eRezepts darin, dass alle bereits heute gelebten Prozesse, wie zum Beispiel die Rezept-Korrektur bei Freitextverarbeitung, vollständig digital abgebildet werden können. Besonders einfach wird es, wenn das eRezept korrekt ausgestellt ist, denn das spart nachträgliche Änderungen und wir sind der Digitalisierung dann wieder einen Schritt näher. Sollte mal ein Fehler im eRezept sein, so bedeutet dies auch nicht mehr Aufwand als vorher,“ schildert Schiemann seine Erfahrung.
Schiemann fühlt sich insbesondere durch seinen Software-Anbieter gut beraten und hält sich mit den bereitgestellten Webinaren und Infomaterialien auf dem Laufenden. Man merkt ihm eine hohe Bereitschaft und intrinsische Motivation an, sich umfassend mit dem Thema zu beschäftigen und sich stets aktuelle Informationen dazu einzuholen, die er dann auch an seine Kund:innen in der Apotheke weitergeben kann.
Nur wenige Ausnahmen bedürfen zukünftig noch Papier. Würden Privatrezepte oder andere dokumentationspflichtige Dokumente auch noch ihren Weg in die Digitalisierung finden, würde das zugleich die Akzeptanz des eRezepts erhöhen. Ein weiterer zu klärender Aspekt aus Sicht des jungen Apothekers ist die Regelung zu Hausbesuchen/Heimverordnungen. Auch hier gilt es, passende Lösungen zu finden.
„Wünschenswert wäre, wenn wir in den kommenden Monaten einen eRezept-Anteil von 80-90% erreichen würden, um zusätzlichen Digitalisierungsaufwand zu sparen“, so Schiemann. Dabei wird sicherlich der Einlöseweg via eGK der populärste sein, da dieser für die Patient:innen am komfortabelsten ist.
"Wir haben das während der Pandemie mit den Impfzertifikaten gesehen: Der Umgang mit dem QR-Code war gerade für ältere Menschen nicht eingängig und sie suchten Hilfe in den Apotheken. Die Lösung via eGK ist eingängig, das Stecken der Karte kennen die Patient:innen bereits von ihren Arztbesuchen."
Sicherlich spielen auch das Alter und die Offenheit gegenüber neuen Prozessen eine entscheidende Rolle. Hier dürfte es auch bei den Apotheker:innen selbst eine Frage des Generationswechsels sein. Und die Offenheit gegenüber neuen, digitalen Prozessen steht und fällt mit guter Aufklärung und Information.
So lässt sich mit guten Aufklärungskampagnen sicherlich auch der noch wenig verbreitete elektronische Medikationsplan (eMP) mithilfe der Akzeptanz für das eRezept weiter voranbringen und vielleicht künftig auch in der elektronischen Patientenakte (ePA) abbilden. Bisher wird in der Regel noch der bundeseinheitliche Medikationsplan in Papierform gelebt. Dieser enthält einen QR-Code und kann darüber digitalisiert werden, allerdings ist da ja irgendwie „Digitalisierung rückwärts“.
Für die Nutzung der Anwendungen und ein Voranschreiten der Digitalisierung braucht es laut Schiemann ein Umdenken. Nach wie vor zählt das Fax (wenngleich auch schon virtualisiert als Mail) immer noch zu den am häufigsten verbreiteten Kommunikationswegen und erhält mehr Aufmerksamkeit als direkte E-Mails. Hier - wie auch generell - könnten möglicherweise weitere Anreize durch Bonussysteme geschaffen werden, um die Umstellung voranzutreiben.
Und natürlich sind Anreize attraktiver als Sanktionen. Wir, als Worldline Healthcare und Marktführer im Bereich eHealth-Kartenterminals unterstützen das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen ganz aktiv und freuen uns, gerade durch solche Beispiele, wie dem der Bahnhof Apotheke noch besser zu verstehen, an welchen Punkten die flächendeckende Umsetzung der TI-Anwendungen hängt, bzw. welchen Aufklärungsbeitrag wir leisten können. Letztlich ist die Digitalisierung FÜR den Anwender oder die Anwenderin, die Verantwortung für die Umsetzung liegt aber bei allen gleichermaßen – Digitalisierung ist, was man draus macht.